Passives bedarfsgerechtes low-tech Bewässerungssystem

  • Hallo Pfanzenfreunde,


    Immer mal wieder habe ich Probleme mit der richtigen Zimmerpflanzenbewässerung. Aktuell passiert alles händisch mit der Gießkanne, alle paar Tage nach Gefühl. Ich finde leider nicht ausreichend Muße um mich mit jeder Pflanze, ihren Bedürfnissen und Umständen im Detail auseinanderzusetzen. Spätestens wenn man mal 2-3 Wochen weg ist, auch wenn ich im besten Fall jemanden zum bewässern beauftrage, geht es einigen Pflanzen doch bisweilen recht schlecht.


    Gerne würde ich auf ein System umstellen, in dem ich lediglich ab und zu Reservoirs fülle, welche dann Bedarfsgerecht Wasser an die Pflanzen abgeben. Am liebsten ohne viel Technik und Leitungen. Ich habe selbstverständlich auch schon ein wenig recherchiert und es scheint ja diverse Ansätze zu geben, wie z.B. Bewässerungsschnüre aus Kokos- oder Glasfaser, Tonkegel und Hydrokultur. Es fällt mir bisher jedoch schwer Langzeiterfahrungen zu bestimmten Themen zu finden, daher ein paar Fragen an euch:


    • Bewässerungsschnüre (Wasserreservoir unter dem Blumentopf, Schnüre ziehen mittels Kapillarwirkung Wasser nach oben)
      • Wie kann ich sicher sein, dass nicht zu viel Wasser in die Erde gelangt bzw. Staunässe entsteht? Passiert das einfach automatisch oder gibt es hier etwas zu beachten? Es kommt ja auch sehr auf Temperatur & Luftfeuchtigkeit an, wie viel Wasser die Pflanzen gerade brauchen.
    • Tonkegel. Ich habe hier recht hartes Wasser. Ich gehe davon aus, dass die Poren der Tonkegel sich mit der Zeit mit Kalk zusetzen und weniger Wasser durchdringt. Das würde im Dauerbetrieb ein Problem sein und regelmäßige Reinigung erfordern. Stimmt das?
    • Hydrokultur. Ich habe hiermit keine Erfahrungen und müsste die Pflanzen erst einmal von Erde auf Hydrokultur umstellen, was ich mir als recht aufwendig und ggf. teuer vorstelle. Und ich benötige regelmäßig (angeblich umweltschädlichen?) mineralischen Dünger. Bin hier momentan noch skeptisch.
    • Was mir bei keiner dieser Lösungen wirklich klar ist, ist ob ich sie mehr oder weniger flächendeckend für verschiedene Pflanzenarten einsetzen kann. Geht das? Ich würde mir bei Sukkulenten sorgen machen, dass sie zu viel Wasser bekommen und bei eher durstigen Arten, dass sie unterversorgt werden (wobei man letzteres noch einfacher kompensieren kann, nehme ich an).

    Habt ihr (Langzeit-)Erfahrung zu diesen Themen? Vergesse ich gute Bewässerungsalternativen? Das Ziel wäre eine möglichst große Bandbreite an Pflanzen mit wenig Aufwand über einen langen Zeitraum zu bewässern. Es müssen dabei keine Optimalbedingungen bestehen, aber natürlich sollte es den Pflanzen schon gut gehen.


    Vielen Dank für Gedanken und Verweise zu dem Thema! :)

  • Hallo


    Ich würde Töpfe mit Wasserreservoir empfehlen. Sie arbeiten auch mit Döchten oder Saugschächten und, je nachdem, mit Pflanzgranulat.

    Hydrokultur mit Blähton habe ich viel, aber, wie du selbst sagst ist das Umstellen aufwendig und schwierig. Der Dünger ist hier nicht "schädlicher" als anderswo und sollte ja von der Pflanze aufgenommen werden.

    feuchtigkeitsempfindliche Sukkulenten sollten auch mal 10 Tage ohne Bewässerung auskommen.

  • Hallo Green Leaf,

    ich experimentiere auch seit Jahren mit bedarfsgerechter automatisierter Bewässerung. Im Idealfall sollte die Pflanze selbst bestimmen können, wieviel Wasser zugeführt werden soll.

    Dafür habe ich (im Urlaub, wenn es nicht unbedingt schön sein soll) gute Erfahrungen mit Weinflaschen (Glas!) gemacht. Flasche randvoll mit Wasser, mit dem Daumen zuhalten und kopfüber in die (vorher gut gegossene) Erde im Blumentopf stecken. Je tiefer sie steckt, umso sparsamer wässert sie. Beispiel: Flaschenöffnung 5cm unter der Erdoberfläche. Die feuchte Erde an der Flaschenöffnung verhindert das Einströmen von Luft in die Flasche, also kann erst dann Wasser nachströmen, wenn der Boden in 5cm Tiefe wieder Luft führt ("trocken"ist). Dann steigen einige Luftbläschen in der Flasche auf und dieselbe Menge Wasser rinnt aus der Fl.-Öffnung -> Boden feucht -> Luftverschluss an der Öffnung-> Wasser Stop -> Pflanze "trinkt" -> Erde führt mehr Luft -> Bläschen steigen auf -> Wassernachschub usw.. Die Wasserzufuhr hängt also vom "Durst" (und natürlich auch von Verdunstung usw.) der Pflanzen ab.

    Nach einem ähnlichen Prinzip versorge ich mein durstiges Fensterblatt mit einem 15Liter Wasservorrat aus einem Getränkefass aus stabilem(!) Kunststoff mit "Zapfhahn".

    Allerdings versorgt sich die Pflanze über ihre umgewandelten Luftwurzeln aus einem wassergefüllten Glaszylinder. Das System habe ich als Zeichnung im Anhang hochgeladen.

    Genauso kann ich meine Fleischfresser versorgen, weil ich den Wasserspiegel im Untersetzer immer auf dem gleichen Niveau halte. Im Urlaub kommen alle in einen großen "Untersetzer", eine Kunststoffbox.

    Sehr erfreuliche Erfahrungen mache ich tatsächlich mit dem Blumat-System mit Tonkegeln. Dabei trinkt eine ganze Gesellschaft von Blumen aus ein und demselben Gefäß. s.Anhang. Ich empfehle aber dringend, die Bedienungsanleitung genau zu befolgen!

    Einige Pflanzen umwuchern den feuchten Tonkegel mit der Zeit so stark, dass man ihn kaum noch aus der Erde heraus bekommt. Ob dabei kalkiges Wasser ein Problem wird? Ausprobieren! Im besten Falle scheidet sich sogar etwas Kalk ab, was für die Pflanzen weicheres Wasser bedeuten würde. Und die Kegel alle paar Monate mit Essigwasser wieder entkalken, ist auch kein großer Aufwand. Da ich selber ganzjährig Regenwasser verwende, kann ich leider nicht mit Erfahrungen dienen.

    So, das war ein langer Aufsatz. Ich hoffe, es ist die eine oder andere Anregung dabei.

    L.G

    Tom

  • Hallo nochmal,

    ich war beim letzten Mal schon etwas arg müde. Vielleicht hätte ich noch ergänzen sollen, womit ich keine guten Erfahrungen gemacht habe.


    Es gibt bisweilen solche Tonkegel zum Aufsetzen auf Flaschen, die dann auch kopfüber ins Substrat gesteckt werden. Nimmt man eine normale Kunststoff-Wasserflasche, dann sickert ständig Wasser durch den Kegel, unabhängig vom Bedarf der Pflanze und die weiche Plastikflasche schrumpft wegen des Unterdrucks in sich zusammen.

    Eine Glasflasche gibt dem entstehenden Unterdruck in der Flasche nicht nach, sodass gar kein Wasser mehr herauskommt. (Können ja auch keine Luftblasen rein).


    Dann gibt es für Plastikflaschen auch Aufsätze mit einem Tropfsystem. Meiner Meinung nach erstmal eine ziemliche Fummelei, bis man die Tropfgeschwindigkeit einjustiert hat. Die richtet sich aber leider nicht nach tatsächlichem Bedarf, sondern plätschert munter vor sich hin, anfangs, bei voller Flasche schneller, mit sinkendem Wasserspiegel immer langsamer. Für den Druckausgleich muss man ein kleines Loch in den Flaschenboden bohren (lt. Bedienungsanleitung).


    Für die Blumentöpfe im Garten hab ich mir mal so ein Solar-Bewässerungs-Teil zugelegt. Sollte über einen Ansaugschlauch aus dem Teich (selbsgebastelter Filteraufsatz) die Töpfe bewässern. Draußen kann das überschüssige Wasser ja ablaufen. Als wir aus dem Urlaub kamen, hatte sich das zentrale Schläuchlein gelöst (Hitze? Nachbars Katze?...). -> Rasen punktbewässert, Blumen vertrocknet.


    Tja, da hats der Kaktusfreund im Urlaub am besten. Vor der Abreise nochmal ordentliche Regenzeit und dann sorgenfrei sechs Wochen verreisen!


    p.s.: Nur kurz zum Getränkefass im obigen Beitrag:

    der Schlauch endet natürlich auf der Wasseroberfläche und bestimmt damit auch die Höhe des Wasserspiegels. Wollte es nur gesagt haben, sonst bin ich am Ende noch für Schäden verantwortlich. ;)


    Einen schönen Abend wünsche ich euch


    l.G. Tom

  • Hallo Puetzinger, hallo cicero!


    Vielen Dank für eure ausführlichen Antworten! Ich muss mir wohl noch mal meine Postfacheistellungen anschauen, damit ich sie nächstes Mal nicht so lange verpasse.


    Bei der Weinflaschenmethode entsteht also keine Staunässe? Davor hätte ich zuerst Sorge, aber wenn die Erde erst relativ trocken werden muss um wieder Luft in die Flasche zu lassen, ergibt das natürlich Sinn!


    Das Blumat Classic System ist mir neu! Mir ist die Funktionsweise noch nicht vollständig klar - auf welcher Höhe muss der Wasserbehälter im Vergleich zum Blumentopf stehen? Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass der Schlauch das Wasser wirklich von eine Höhe niedriger als der Tonkegel saugen kann.


    Alles zusammengefasst, verstehe ich das richtig, dass alle der folgenden Methoden sich nach dem Bedarf der Pflanze richten, es also recht schwierig ist mit der Wassermenge komplett daneben zu liegen? Solange man das System nicht unterdimensioniert, versteht sich:

    • Dochtbewässerung von unten (in Töpfen mit Wasserreservoir verwendet)
    • Weinflasche auf dem Kopf in den Topf
    • Bumat Classic bzw. ähnliches: Wasser wird durch Tonkegel aus einem Reservoir gesaugt

    Ich werde das ein oder andere demnächst mal ausprobieren!


    Vielen Dank! LG GreenLeaf

  • Hallo GreenLeaf,

    zum Tonkegelsystem: der Tonkegel ist ein kleiner, umgekehrt kegelförmiger Becher, der 100% luftdicht mit einer Kunststoffkappe verschlossen ist. Aus der Kappe kommt der Schlauch, der im Wassergefäß hängt. Sobald der Kegel mit Wasser vollgesogen ist (er muss vorher einige Minuten gewässert werden!), ist auch er luftdicht. Das Wasser im Schlauch kann also schon mal nicht abfließen, ähnlich, wie wenn man einen mit Wasser gefüllten Trinkhalm oben verschließt. Wenn man jetzt den Kegel von außen trocknet (z.B. mit einem Fön), dann saugt er sich von innen (Wasser) wieder voll (wie sich z.B. ein Bierdeckel vollsaugt, wenn er mit Wasser in Berührung kommt). Das aufgesaugte Wasser fehlt jetzt im Kegel, es entsteht ein Unterdruck und durch den Schlauch wird die fehlende Menge Wasser aus dem Vorratsgefäß geholt. Von außen "lutscht" also die Erde im Topf (später die Pflanzen persönlich über ihre Wurzeln) an dem Kegel und das Spiel wiederholt sich. Dieser Sog reicht, um Wasser aus dem tiefer stehenden Gefäß hochzubefördern. Er ist umso größer,

    - je inniger der Kontakt mit der Blumenerde ist;

    - je saugfähiger die Erde ist; ...und nach einiger Zeit...

    - je mehr die Wurzeln den Kegel umwachsen haben.


    Angenehmer Nebeneffekt: die Methode ist so sparsam, dass das Substrat nur minimal (besonders in Kegelnähe) angefeuchtet ist. Für Trauermücken z.B. wird der Topf dann uninteressant.


    Verrückt: sollte die Erde aus irgendwelchen Gründen zu nass sein, funktioniert das System sogar "rückwärts": wenn das Vorratsgefäß tief genug steht, dann wird das überschüssige Wasser aus der Erde über den Tonkegel abgesaugt und der Wasserstand im Vorratsgefäß steigt, bis der Feuchtigkeitsgehalt wieder im Gleichgewicht ist.


    ANMERKUNG: für ausgesprochen nässeliebende Pflanzen wie die meisten Fleischfresser würde ich ein anderes Verfahren wählen. Durstige Farne könnten vielleicht durch mehrere Tonkegel im Topf und ein auf gleicher Höhe angebrachtes Vorratsglas zufriedengestellt werden


    FAZIT:

    Auf nahezu geniale Weise werden hier physikalische Erscheinungen wie Oberflächenspannung, Kapillarkraft, Druck usw. in den Dienst einer bedarfsgerechten Pflanzenbewässerung gestellt, und das ohne jeden elektrischen/elektronischen/digitalen Schnickschnack.


    Sollte jemand jetzt denken, ich bekäme Provision von der Firma, dann irrt der. Ich nutze diese Teile eben schon seit Jahren und bin damit recht glücklich.


    So, genug getextet.


    Viel Spaß beim Tüfteln mit der Bewässerung.:)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!