Ich möchte hier eine nicht so bekannte Pflanzengattung vorstellen, die sich jedoch lohnt, näher betrachtet zu werden.
Da einige Leute das Angenehme mit dem Nützlichen bzw Notwendigen verbinden möchten, also die Pflanzenliebe und die Frage der "Schädlingsbekämpfung", kann sich ein Blick auf diese Fettkräuter durchaus rentieren. Die Fettkräuter (Pinguicula) sind fleischfressende Pflanzen aus der Ordnung der Lippenblütlerartigen und hier aus der allesamt karnivoren Familie der Wasserschlauchartigen stammend. Mit dem bekannten Sonnentau oder der Venusfliegenfalle sind sie nicht näher verwandt.
Im Gegensatz zu anderen Karnivoren ist die Pflege der Fettkräuter idR unproblematisch und daher für Anfänger bestens geeignet.
Im Baumarkt werden fast ausschließlich Hybride angeboten, die mit Leitungswasser, ohne Dünger und einem sehr mageren Substrat an den meisten halbschattigen Stellen in der Wohnung gehalten werden können. Hohe Luftfeuchten werden idR nicht benötigt und im Winter ist relativ trockene Heizungsluft durch den Wechsel der Pflanze in eine sukkulente Winterform meist kein Problem. Lediglich austrocknen dürfen die kleinen Pflanzen nicht (in einem Untersetzer kann man gerne 1cm Wasser stehen lassen) und es muss eine insektenbasierte Ernährung erfolgen, was die Pflanzen meist selbstständig erledigen können, denn oftmals fliegen Trauermücken oder Obstfliegen in den Wohnräumen umher. Hier kann man die kleinen Fettkräuter zwischen größeren Topfpflanzen platzieren und einen kleinen bis größeren Teil der umherschwirrenden Tierchen wegfangen lassen und so eventuell auf Klebetafeln oder hohen Insektizideinsatz verzichten oder zumindest reduzieren.
Für Interessierte nachfolgend eine kleine Einführung:
Die Angaben beziehen sich auf unhybride Arten, da deren Pflege durchaus intensiver sein kann.
Die größte Verbreitung liegt in Mittelamerika, aber es gibt auch europäische Arten. Einige Arten besitzen ein lokal begrenztes Verbreitungsgebiet, weswegen sie bereits durch kleinräumige Störungen bedroht sein können. In Deutschland sind zwei Arten beheimatet - das Gemeine Fettkraut (Pinguicula vulgaris) und das Alpen-Fettkraut (Pinguicula alpina).
Fettkräuter sind kleine Pflanzen, deren Durchmesser von wenigen Millimetern bis 30cm reicht und die Wuchshöhe ohne Blüte eher selten 15cm überschreitet. Typisch für Fettkräuter ist die Wuchsform Blattrosette, die mit Drüsen zur Sekretabgabe besetzt ist, die bei allen Arten, egal ob aus tropischen oder temperierten Gebieten stammend, abwechselnd ein generatives (Sommer) und vegetatives (Winter) Stadium besitzt.
Generativ heißt, es werden Blüten und damit Samen gebildet, und vegetativ, generelles Pflanzenwachstum oder es werden ungeschlechtlich Tochterrosetten ausbildet. In temperierten bzw kühlen Gebieten dient das Hibernakel als vegetatives Stadium zur Überwinterung und hieraus wird nach Kälte und Frost der Neuaustrieb entstehen. Generell werden die Fettkräuter in tropische und temperierte Formen eingeteilt. Bei den tropischen Formen ist auch das vegetative Stadium blütenbildend, bei den temperierten Formen hingegen wird in diesem Stadium üblicherweise die Winterosette mit dem Hibernakel gebildet, aus dem im folgenden generativen Stadium die Sommerrosette mit den Blüten erwächst. Ausgehend dieser Dualität wird Winter- und Sommerrosette unterschieden. Unterscheidet sich zusätzlich äußerlich die Winter- von der Sommerrosette spricht man von heterophyllen ansonsten von homophyllen Arten. Die Winterrosette kann zT deutlich kleiner als die Sommerrosette sein.
Sommerrosette links (10cm), Winterrosette rechts (2,5cm) von P. cyclosecta (heterophyll, Mexiko)
Die Blüten sind sehr filigran und erreichen Höhen bis zu 25cm. Die Blüte ist ein bespornter, länglicher Kelch, der spiegelsymmetrisch auf jeder Seite idR eine Lippe besitzt. Die Färbung reicht von reinweiß bis fast schwarz, über gemustert, bepunktet. Vor Allem die tropischen Arten bilden ganzjährig Blüten, während die gemäßigten Arten einmal im Jahr blühen.
P. kondoi (Litophyt)
Alpen-Fettkraut (P. alpina)
P. gypsicola (Litophyt auf Gipsgestein)
Da Fettkräuter sehr unterschiedliche Habitate besiedeln, ist es unabdingbar sich mit den (geo)klimatischen Gegebenheiten vertraut zu machen. Das Spektrum reicht von kühl-trockenen oder feucht-warmen hin zu winterfrostigen Arten. Je nach klimatischen Bedingungen sind die Winterrosetten sukkulent und die Pflanzen können so auch extreme Trockenperioden überstehen. Gemeinsam ist allen, dass sie eine bodenfeuchte bis extrem nasse Periode benötigen, während nicht alle Arten einen luftfeuchten Lebensraum benötigen. Oft kommen Fettkräuter vergesellschaftet mit Moosen, Farnen, Bromelien, Agaven, Kakteen ua vor. Wurzeln werden bei allen Arten nur sehr schwach ausgebildet und fehlen bei den hibernakelbildenden Art meist vollständig. Als Untergrund dienen Moose und andere Pflanzen, Felsen, Moorböden, Sumpfböden, reiner Gips und andere extrem nährstoffarme Substrate. Auch der pH-Wert des Bodens ist sehr individuell von stark sauer (Torf), neutral bis alkalisch (reiner Kalk-/Gipsboden) reichend. Im Gegensatz zu den meisten anderen fleischfressenden Pflanzen benötigen die meisten Fettkräuter keine pralle Sonne und gedeihen eher im Halb- oder Vollschatten. Das ist gerade für die Zimmerhaltung interessant, da nicht jeder ein Südfenster bieten kann.
Dass die Wurzeln nur noch bedingt zur Nährstoffaufnahme befähigt sind und die Standorte zT extrem nährstoffarm sind, zeigt schon an, dass die Pflanzen hier eine besondere Nische gefunden haben - die karnivore Ernährung. Die Blätter sind drüsig besetzt und die langstieligen Drüsen sondern Sekrete zum Festhalten ab und die kurzen (sitzenden) Drüsen produziereneinen enzymhaltigen Saft, der außer dem Chitinpanzer alles zersetzt und für die Pflanze verfügbar macht. Die Blätter sind auch beweglich und können ausgerichtet bzw über gefangene Insekten gestülpt werden, wobei der Bewegungsmechnismus bei Weitem nicht so rasch ausgeprägt ist wie zB beim Sonnentau. Die Blattbewegung sorgt oft für eine nicht durchgängige Cuticula (wachsartiger Überzug der äußeren Blattschicht) und somit verdunstet die Pflanze hier viel Wasser, weswegen die Pflanze wenigstens im Sommerstadium auch erhöhte Luftfeuchten brauchen. Die sukkulenten Winterrosetten mancher Arten hibernieren meist und ernähren sich passiv ohne zusätzliche Bewegung der Blätter.
Die meisten Arten ernähren sich von winzigen Insekten, Fruchtfliegen und nur wenige große Arten können auch kleinere Schmetterlinge, Käfer, Bienen oder Wespen "überwältigen". Pollen können ebenfalls enyzmatisch verwertet werden. Die meisten "größeren" Insekten wie Ameisen, Blattläuse oder auch sehr kleine Spinnen uä können sich idR von den Klebedrüsen befreien.
P. vulgaris (Gemeines Fettkraut) mit gefangenen, kleinen Fliegen.
Es handelt sich also um eine sehr vielgesichtige Gattung bzgl der Standortansprüche, dem jahreszeitlichen Zyklus und der Ernährung, welche ratsamerweise auch in Kultur simuliert werden sollten, damit die kleinen Pflanzen vital und gesund bleiben. Hier sollte man, wie bei anderen Karnivoren auch, auf eine unpassende Ernährung verzichten. Lebensmittel oder deren Reste führen meist zu Störungen der Drüsen, Schimmel, Krankheiten und sind deswegen gänzlich ungeeignet. Hier kann man im Zoofachhandel kleinste Insekten erwerben, die aufgetaut der Pflanze angeboten werden, oder läßt die Pflanze einfach die störenden Trauermücken oder Fruchtfliegen in der Wohnung fangen.
Verblühte P. ibarrae (Mexiko, 2004), die sich gut selbst versorgt, und auch permanent etwas im Wasser steht. Nachzucht aus Leipzig.
Reine Arten bekommt man im Fachhandel oder Pflanzenbörsen. Ich selbst habe zwar reine Arten, aber hier ist auch immer zu erfragen, ob es sich um Nachzuchten oder Wildentnahmen handelt. Aufgrund der vormals erwähnten zT sehr kleinen Verbreitungsgebiete sind Wildentnahmen abzulehnen und sollten nicht erworben werden. Vor Allem da viele Endemiten in den letzten 20 bis 30 Jahren erstmals beobachtet worden sind und es eine regelrechteI Schwemme dieser sehr lokal begrenzten Arten im Fachhandel gab und gibt, sollte man sich im Vorfeld informieren, da es sehr schade wäre, wenn die kleinen Populationen für das Hobby in der freien Natur aussterben.
[Bildquellen zT Wikipedia], für noch mehr Infos: Oliver Gluchs Fettkrautwelten